Silvio Panosetti

Minne

Fotografische Imaginationen

 13.8. – 10.9.2022

Vernissage: Samstag, 13.8.22 17-19 Uhr

 Flyer

„Nach ihrem reinen Wesen sehne ich mich
und härme mich
ab nach ihrer Liebe,
mehr noch aber nach jenem hohen Ziel.“
Wolfram von Eschenbach
Parzival (441, 10-13)

Seit Jahren beschäftigt sich Silvio Panosetti mit den Mythen der Artus-Epik, deren imaginative Kraft er in seinen Fotografien umzusetzen sucht. Bei seinen aktuellen Arbeiten geht es um den Bereich der Minne und die in diesem historischen Genre übliche Verklärung der Frau. Panosetti widmet sich der literarischen Überhöhung der Frau als Inspirationslegende. Einfach übersetzt bedeutet Minne »Liebe«. Doch in dem Begriff verbarg sich im Mittelalter Vielgestaltiges, von Gottesliebe über die Nächstenliebe, erotische Faszination und Leidenschaft. Für die hier vorgestellten Bild-Imaginationen verwendete Panosetti Frauenportraits, die aus seinem früheren fotografischen Schaffen stammen, und stellte sie in einen anderen visuellen Kontext. Der Bereich des Metaphorischen soll dabei im Vordergrund stehen, doppelschichtige Bilder als ein möglichst einheitlicher Ausdruck innerer Ereignisse, ohne dabei das Äußere, die Ästhetik zu vernachlässigen.

Silvio Panosetti arbeitet als Fotograf, Filmer und Autor. Buchpublikationen und verschiedene Veröffentlichungen seiner künstlerischen Schwarz-Weiß-Fotografien erschienen in internationalen Verlagen.

KunstRaumRhein
Haus Julian
Dorneckstr. 37
4143 Dornach
+41 (0) 61 683 08 70

Öffnungszeiten
Sa und So 14-18 Uhr
Weitere Besuchszeiten
by appointment
Eintritt frei

Kuratorin und Kontakt
Dorothée Deimann
+41 (0) 79 904 90 69
Email

Das Auge des Fleisches, des Geistes und der Kontemplation

Zur Ausstellung MINNE, fotografische Imaginationen von Silvio Panosetti

»Wenn die Tore der Wahrnehmung gereinigt wären, erschiene jedes Ding dem Menschen, wie es ist, unendlich. Denn der Mensch hat sich selbst eingesperrt, bis er alle Dinge durch enge Ritzen seiner Höhle sieht.«

William Blake, »The Marriage of Heaven and Hell«

Ken Wilber schreibt in seinem Essay zu Alex Grey’s »Sacred Mirrors«, dass Menschen über mindestens drei verschiedene Arten der Erkenntnis verfügen: das Auge des Fleisches, das die materielle, konkrete und sinnlich erfahrbare Welt erschliesst; das Auge des Geistes, das die Welt der Symbole, Begriffe und Wörter einschliesst; und das Auge der Kontemplation, das die spirituelle, transzendente, transpersonale Welt erschliesst.

Wilber sieht darin nicht drei verschiedene Welten, sondern drei verschiedene Aspekte unserer einen Welt, die sich durch unterschiedliche Arten der Erkenntnis und der Wahrnehmung mitteilt. Auch ist er der Meinung, dass der Mensch über diese Arten der Erkenntnis, diese drei »Augen«, nicht von Anfang an verfügt. Es handle sich um einen Entwicklungsprozess vom Niedrigeren zum Höheren.

Im Auge des Fleisches eröffnet sich vor allem eine vorpersonale, präverbale, vorbegriffliche Welt, eine Welt der Materie und des Körperlichen. Durch das geistige Auge wird vor allem eine personale, verbale und begriffliche Welt sichtbar, eine Welt des Individuellen und des Verstandes. Und das Auge der Kontemplation offenbart vor allem eine transpersonale, transverbale und über das Ego hinausgehende Welt, eine Welt, in der Seele und Geist erstrahlen.

 Diese drei elementaren Sphären, die Sphäre von Materie und Körper, die Sphäre des Egos und des Verstandes sowie die Sphäre von Seele und Geist werden in ihrer Gesamtheit in vielen kontemplativen Traditionen als Grosse Kette des Seins bezeichnet.

Diese Sichtweise hat mich für die hier ausgestellten fotografischen Imaginationen durchaus beeinflusst, allerdings erst später, als die Bilder schon fertig waren. Ein zeitliches Paradoxon, was in diesem Zusammenhang keine Bedeutung haben muss.

Ein Prozess kann manchmal wie ein Kreis sein, dessen Anfang und Ende im Rund dieser Form enthalten, aber unauffindbar versteckt sind.